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  • Alle zusammen für eine bunte, starke und laute Fankultur -Die populistischen Forderungen der Innenminister*innen stoppen!

    Alle zusammen für eine bunte, starke und laute Fankultur -Die populistischen Forderungen der Innenminister*innen stoppen!

    Was ist die Ausgangslage?

    Am 6. Dezember 2024 beschlossen die Innenminster*innen aller Länder im Rahmen der 222. Innenminister*innenkonferenz in Rheinberg die Umsetzung von weitreichenden Maßnahmen gegen Fussballfans. Unter der Überschrift „Fußball ohne Gewalt: Maßnahmen zur Eindämmung von Gewalt und zur Stärkung der Sicherheit in Fussballstadien“ wurde beschlossen,  dass eine zentrale Stadionverbotskommission eingerichtet werden soll sowie einheitlich hohe Sicherheitsstandards durch den Einsatz von „Videotechnik, KI, Einlass/Crowdmanagement etc.“ zu entwickeln sind. Mit der Umsetzung dieser Beschlüsse wurde der „AK II unter Federführung der bisher am Prozess beteiligten Länder Bayern, Hamburg, Sachsen, Niedersachsen sowie Nordrhein-Westfalen“ beauftragt. Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegen Gewalt im Fussball hat sich im vergangenen Jahr unter Beteiligung der DFL, des DFB, der Polizei sowie der KOS mehrmals getroffen. Mittlerweile haben verschiedene Stellen darüber berichtet, dass die Arbeitsgruppe zu Ergebnissen gekommen ist. Wie genau diese aussehen und was der diesjährigen 224. IMK vom 3. bis zum 5. Dezember in Bremen zum Beschluss vorgelegt werden soll, wurde durch die zuständigen Stellen bisher nicht kommuniziert. Die bewährten Strukturen auf Grundlage des Nationalen Konzepts Sport & Sicherheit (NKSS) wurden anscheinden bewusst übergangen. Stattdessen werden populistische Forderungen in einer Hinterzimmerpolitik ausgearbeitet, was mit einem demokratischen Verständnis von exekutiver Arbeit nicht in Einklang zu bringen ist.

    Die intransparenten Maßnahmenforderungen werden zu einer Zeit gestellt, in welcher der Stadionbesuch sicher ist, was auch durch die polizeilichen Statistiken bestätigt wird. Der von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) erstellte aktuelle Jahresbericht zeigt dies deutlich: So wurden in der vergangenen Saison rund 22 % weniger Strafverfahren durch die Polizei eingeleitet. Ebenso wurden 17 % weniger Personen verletzt. Die Polizei musste 9 % weniger Arbeitsstunden rund um die Spieltage aufwenden. Diese positive Entwicklung wird durch eine Steigerung der Zuschauerzahlen um rund 1 Million noch einmal verstärkt. Natürlich ist jede Verletzung eine Verletzung zu viel! Setzt man die Zahlen jedoch ins Verhältnis zur der Gesamtzahl der Zuschauer, wird sehr deutlich, dass das Risiko, bei einem Besuch eines Fußballspieles verletzt zu werden, äußerst gering ist. Bei 25.260.000 Zuschauer*innen in der vergangenen Saison wurden 1.107 Verletzte registriert. Das sind 0,00438 %. Die Gefahr einer Verletzung auf sonstigen Volksfesten, wie dem Oktoberfest, liegt somit 23-mal höher. Alltagstätigkeiten wie Gartenarbeit, Haushalt und Straßenverkehr dürften ebenfalls riskanter sein. Die IMK sowie die Arbeitsgruppe bleiben folglich eine Erklärung schuldig, wieso sie eine solche Dringlichkeit für weitere Maßnahmen sehen. 

    Was ist über die Ergebnisse bekannt?

    Diese Hinterzimmerpolitik hat dazu geführt, dass diejenigen, die von dem Beschluss betroffen sind, schlecht bis gar nicht informiert sind. Stattdessen muss aus mehreren Quellen mühsam alles zusammengetragen werden, was öffentlich berichtet wird. Das erschwert nicht nur den Vereinen und den Fanprojekten ihre Arbeit, sondern zeugt auch davon, dass eine konstruktive Zusammenarbeit von Seiten der beteiligten Innenminister*innen nicht erwünscht ist. Es ist beachtlich genug, dass man hier vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll, doch dass die Ergebnisse nicht einmal gesammelt bekannt gegeben werden, ist eine intransparente Farce – Dabei bedeuten die geplanten Beschlüsse nicht weniger als einen massiven Angriff auf das Fussballerlebnis und die Fankultur, wie sie bisher in Deutschland gelebt werden. 

    Als sicher gilt, dass eine zentrale Stadionverbotskommission beim DFB eingerichtet werden soll. Sie erhält weitreichende Befugnisse in Form der Rechts- und Fachaufsicht und damit einhergehend Unterrichtungs-, Kontroll- und Weisungsrechte gegenüber den lokalen Kommissionen. Die bei vielen Vereinen angesiedelten lokalen Stadionverbotskommissionen bleiben dabei jedoch grundsätzlich die zuständigen Stellen für die Aussprache, Aufhebung, Aussetzung oder Reduzierung von Stadionverboten. Sie sollen unabhängig mit vier bis fünf Mitgliederen besetzt werden und ihre Verfahren transparent durchführen, begründen und dokumentieren. Die Mindestbesetzung soll aus den Stadionverbotsbeauftragten, den Sicherheitsbeauftragten, der Veranstaltungsleitung, den Fanbeauftragten sowie Jurist*innen bestehen. Die Fanprojekte oder die Polizei können ebenfalls hinzugezogen werden. Weiterhin sollen die Betroffenen vor der Aussprache eines Stadionverbots angehört werden, eine Ausnahme hiervon ist nur in begründeteten Fällen durch die*den Stadionverbotsbeauftragte*n zulässig. Wenn die lokalen Stellen gegen die Stadionverbotsrichtlinien verstoßen, kann die zentrale DFB-Kommission nach eigener Einschätzung die Entscheidungen ohne Weiteres aufheben und ersetzen. Zudem können die Vereine bei Verstößen durch die DFB-Sportgerichtsbarkeit sanktioniert werden. Die Möglichkeit, dass die Vereine nach eigener Einschätzung aufgrund von Verstößen gegen die Hausordnung ein lokales Stadionverbot aussprechen können, bleibt davon unberührt.

    Darüber hinaus sollen ganz neue Maßstäbe gelten, nach denen ein Stadionverbot ausgesprochen wird: Spätestens sechs Wochen nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei ist die Stadionverbotskommission dazu verpflichtet, ein Stadionverbot von mindestens drei Monaten auszusprechen. Aussetzungen oder Bewährungsmaßnahmen können erst nach dem Ablauf der drei Monate beschlossen werden – jedoch nur wenn die Polizei dem zustimmt. Eine Ausnahme des verpflichtenden dreimonatigen Stadionverbots kann gemacht werden, wenn klar nachgewiesen werden kann, dass man zum fraglichen Zeitpunkt nicht vor Ort war.  Das bedeutet, dass noch vor einer gerichtlichen Entscheidung bereits weitreichende Folgen die Menschen treffen, die schlicht Verdächtige in einem Ermittlungsverfahren sind. Die grundsätzliche Unschuldsvermutung soll für Fussballfans nicht mehr gelten! 

    Stattdessen wird es möglich, eine große Anzahl von Menschen mit dem Vorwurf einer einzigen Tat für mehrere Monate aus dem Stadion zu verbannen.  Wer zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wird bereits unter Generalverdacht gestellt.  Was das bedeuten kann, haben unter anderem mehrere hundert Fans des FC St. Pauli am 25. Oktober 2025 in Frankfurt gespürt.

    Doch damit nicht genug sollen persönliche Daten in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß erhoben werden. Gefordert werden zum einen personalisierte Tickets. So könnte bei einer Einführung personalisierter Tickets niemand mehr ein Stadion besuchen, ohne seinen Namen preiszugeben. Auch eine unkomplizierte Ticketweitergabe wird damit mindestens erschwert. Das scheint den Populist*innen in der Politik jedoch immer noch nicht auszureichen. Denn durch die 222. Innenminister*innenkonferenz wurde der Einsatz von „Videotechnik, KI, Einlass/Crowdmanagement etc.“ gefordert.  Es droht also die Verwendung von KI-gestützten Sicherheitssystemen im Stadion. Auch wenn es dazu bisher keine konkreten Pläne gibt, stellt allein die Möglichkeit einer solchen Überwachung eine ernstzunehmende Gefahr für alle Stadionbesucher*innen dar. Wer seine persönlichen und biometrischen Daten schützen will, könnte nicht mehr ins Fussballstadion. Auch für die polizeiliche Arbeit im Fussballbereich ist die Anwendung von KI-basierten Analysen im Gespräch. Ein so weitreichender Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kann von freien Bürger*innen nicht toleriert werden. Wir sprechen hier schließlich immer noch über den Besuch eines Fussballstadions, der für unzählige Menschen jedes Wochenende zur Gewohnheit gehört – und ausweislich der polizeilichen Daten bereits jetzt sicher ist. 

    Weitere geplante Maßnahmen betreffen vor allem die Zusammenarbeit innerhalb der Stadionallianzen, sie sollen ausgebaut und als präventives Instrument gestärkt werden. Dafür sollen vor allem die Sicherheitsbeauftragten der Vereine aufgestockt werden: In der ersten Liga sollen mindestens drei, in der zweiten Liga mindestens zwei und in der dritten Liga mindestens ein*e hauptamtliche Sicherheitsbeauftragte*r beschäftigt werden. Auch die Fanprojekte werden (wenn auch beiläufig) als unterstützenswerte Institution erwähnt. Hier scheint man aber keinerlei weitere präzise Vorschläge machen zu wollen. 

    Für die Koordination aller Beteiligten untereinander sollen gemeinsame Stresstests und Übungen abgehalten werden. DFB und DFL wollen die Clubs außerdem gezielter begleiten, vor allem bei sogenannten Risikospielen.  Dabei liegen die Erfahrungen darin auf Vereinsseite. Sinnvoller wäre es, bei riskanten Länderspielen Expertise aus den Vereinen abzufragen. Chaos und Verantwortungsdiffusion sind damit an dieser Stelle vorprogrammiert. 

    Auch im Bereich der Pyrotechnik-Regeln soll es Verschärfungen geben und eine „Null-Toleranz-Strategie“ umgesetzt werden, wofür vor allem die Saktionsmechanismen ausgebaut werden sollen. Dazu sind DFB und DFL aktuell noch im Gespräch. Somit besteht auch hier weiterhin Unklarheit. 

    Was bedeutet das? 

    All das soll bei der 224. Innenminister*innenkonferenz beschlossen werden und ab dem 1. Januar 2026 gelten. Dadurch würde der Stadionbesuch deutlich unsicherer – denn der Datenschutz könnte mit Füßen getreten werden. Darüber hinaus sollen große Anzahlen von Fans aufgrund eines populistischen und unfairen Generalverdachts vom Stadionbesuch ausgeschlossen werden, ohne eine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Es ist unerklärlich, wieso die Politik das Feindbild Fussball seit Jahren so sehr befeuert und damit eine Freizeitaktivität, die der Großteil der deutschen Bevölkerung am Herzen liegt, so stark kriminalisiert. Es gibt weder eine Datenlage, die das rechtfertigen könnte, noch entsprechende Forderungen aus der Zivilbevölkerung. Diese fatalen Regelungen werden weitreichende Folgen haben und schlussendlich der Fankultur, wie wir sie heute kennen, die Luft zum Atmen nehmen. Das bedeutet: Keine großen Choreographien mehr, kein durchgehender und lauter Support von den Rängen, keine Stimmung.

    Die Politik, so scheint es, möchte die deutsche Fussballkultur begraben. Ganz vorne als Totengräber mit dabei: Hamburgs Innensenator Andy Grote. Das kann nicht das Ziel eines Landes sein, in dem fast jede Person mindestens einen Fangesang auswendig kann und es kaum Menschen gibt, die nicht mit einer Fussballmannschaft mitfiebern. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, was Fussballfans erreichen können, wenn sie zusammenhalten: So wurde der Einstieg eines Großinvestors und die Abschaffung der 50+1-Regel verhindert, Montagsspiele wurden gestrichen und unzählige soziale Projekte auf verschiedensten Wegen gefördert. Der Fussball und seine Fans sind ein wichtiger Teil dieses Landes und können nicht einfach so durch Hinterzimmerdeals von Populist*innen bekriegt werden. Die Bildung von intransparenten Parallelstrukturen ohne die Beteiligung von Fanvertretungen im Entstehungsprozess treten die bisherige Zusammenarbeit aller Beteiligten mit Füßen. Wir fordern, dass sämtliche geplanten Einschränkungen abgelehnt werden und der Stadionbesuch als das angesehen wird, was er ist: sicher!

    Weitere Forderungen im Einzelnen: 

    Braun-Weisse Hilfe

    Zukünftig werden wohl alle Fans die Sorge haben müssen, dass schon ein ungerechtfertigter polizeilicher Verdacht ihnen gegenüber schon zu einem Stadionverbot führen wird. Es droht die Abschaffung rechtsstaatlicher Prinzipien, angefangen mit einer Beweislastumkehr bis hin zur de-facto-Abschaffung des Prinzips der Unschuldsvermutung. Grundrechtseinschränkungen, die wohl in kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich politisch vermittelbar wären, sollen hier durchgesetzt werden. Und wie so oft dient das „Feindbild Fußballfan“ als Testobjekt, bevor solche Maßnahmen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Anwendung finden. So ist zukünftig ein unbedarfter und entspannter Stadionbesuch schwer vorstellbar.

    Das jetzt seitens populistischer Politiker*innen gezeichnete chaotische und bedrohliche Bild, könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Die Folgen für Fußballfans und eine freie Fankultur sind weitreichend.

    Wir sagen: Es reicht! Diese Pläne und die Dämonisierung von Fußballfans müssen gestoppt werden! 

    Fanladen: 

    Akzeptierte Regeln und Normen entstehen in Beteiligungsverfahren: Es müssen ressortübergreifende und interdisziplinäre Expertisen eingebunden werden, abgewogen und am Ende gute Ergebnisse gefunden. Großspurig in einer Pressekonferenz einen härteren Umgang anzukündigen und dann Rechte von Bürger*innen einzuschränken, ist ein weiterer Schritt der autoritären Formierung der Gesellschaft. Die beste Gewaltprävention ist eine möglichst gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen und Zugängen. Der deutsche Vereinsfußball ist mit dem 50+1-Modell, empowernder Fansozialarbeit und selbstorganisierter Jugendkultur ein role model für Beteiligung. Fördert diese positiven Elemente im Fußball, statt sie zu bekämpfen! Reguliert Geldströme aus Menschen zerstückelnden Öldespotien und den Handel mit minderjährigen Fußballern, nicht Jugendkultur!

    Fanclubsprecher*innenrat: 

    Statement folgt

    Ultrà Sankt Pauli:

    Wir fordern die Innenministerkonferenz zum sofortigen und vollständigen Stopp sämtlicher im Raum stehender Maßnahmen auf! Beendet den frontalen Angriff auf unsere Fankultur, welchen ihr gerade mittels gezielter Desinformation und entgegen jedweder statistischen Evidenz im stillen Kämmerlein plant. Statt einer faktenbasierten Politik, verfolgt ihr einzig und allein das Ziel, die freie und lebendige Fankultur – das Alleinstellungsmerkmal des deutschen Fußballs und alles, was wir Fans uns über Jahrzehnte mühsam erkämpft haben – für immer zu vernichten. Unter dem Deckmantel von vermeintlicher „Sicherheit“ schafft ihr in diesem Moment im Hinterzimmer ohne Einbeziehung von Fans, Fanvertretungen und Fanprojekten, unumkehrbare Fakten, mit der ihr die dystopische Vision eines Fußballs ohne Seele vorantreibt. Und das, obwohl ihr genau wisst, dass keinerlei Statistik oder Datengrundlage ein solches Vorgehen rechtfertigen würde. Dass der Stadionbesuch eines deutschen Fußballstadions so sicher ist wie noch nie, ist euch ebenso bekannt, wie auch der Polizei und den Verbänden.

    Hört also endlich auf mit diesem populistischen Schauspiel und kehrt zurück zu den Fakten und Sachargumenten!

    Fankultur schützen – Hinterzimmerdeals stoppen!

  • Mailvorlage an jugendpolitische Sprecher*innen

    Mailvorlage an jugendpolitische Sprecher*innen

    Damit nicht nur Innenpolitiker*innen mitentscheiden, sondern auch Politiker*innen anderer Themenfelder ihre Mitbestimmung einfordern, könntet ihr diese Mailvorlage so oder ähnlich an die jugendpolitischen Sprecher*innen der Parteien in der Hamburgischen Bürgerschaft senden. Ihr könnt die Mail natürlich auch nach Belieben anpassen.

    Diese sind:

    Lisa Kern (Grüne)
    lisa.kern@gruene-fraktion-hamburg.de

    Jan Libbertz (Linke)
    jan.libbertz@linksfraktion-hamburg.de

    Cem Berk (SPD)
    cem.berk@spd-fraktion-hamburg.de

    Silke Seif (CDU)
    info@silke-seif.de

    Betreff: Jugendkultur schützen – Jugendarbeit stärken – Fankultur als Ressource verstehen!

    Sehr geehrte*r [Name],

    ich schreibe Ihnen als jugendpolitische*r Fachsprecher*in ihrer Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, denn die aktuelle innenpolitische Diskussion über Fußball und Sicherheit verläuft weitgehend losgelöst von empirischen Befunden und findet ohne angemessene Beteiligung fachlich relevanter Ressorts – etwa aus Jugend-, Sozial- oder Bildungspolitik – statt, ebenso ohne relevante fachliche Beteiligung seitens der Jugendhilfe. Dabei zeigen die aktuellen Zahlen der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei NRW ein deutlich anderes Bild, als es die öffentliche Debatte vermittelt.

    Bei rund 33 Millionen Stadionbesucher*innen in den vier höchsten Spielklassen wurden 1107 Verletzte registriert – und das trotz eines Zuwachses von 4,3 Millionen Zuschauer*innen. Gleichzeitig ist die Zahl verletzter Polizeikräfte um fast 50 % und die polizeiliche Arbeitsbelastung um rund 9 % gesunken. Das Risiko, im Stadion verletzt zu werden, bleibt damit minimal und deutlich unterhalb anderer Alltagsrisiken.

    Fankultur ist derzeit die dominierende Jugendsubkultur in Deutschland. Die Fans sind die größte Ressource, die die demokratisch geführten deutschen Vereine haben. Auch aus Sicht der Jugendarbeit sollte auf Fans ressourcenorientiert und nicht primär gefährdungsorientiert geblickt werden.

    In ihren sozialen Zusammenhängen und gefördert durch die sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekte erlernen meist junge Fans wichtige soft skills: Diskutieren, organisieren, gestalten und mitgestalten ihrer Lebenswelt in den Fußballvereinen. Ich bitte Sie, diese Jugendkultur als demokratische Ressource zu verstehen und zu schützen!

    Vor diesen Hintergründen erscheint die rein innenpolitisch motivierte Erzählung vom Fußball als Sicherheitsrisiko nicht haltbar. Statt evidenzbasierter und ressortübergreifender Lösungen dominieren populistische Forderungen, die bestehende Dialogstrukturen gefährden und die Vertrauensbasis zwischen Fans, Vereinen und Behörden schwächen.

    Mit besonderer Sorge betrachten wir daher die geplante Reform der Stadionverbotsrichtlinien und die Einrichtung einer bundeseinheitlichen Stadionverbotskommission. Vorgesehen sind unter anderem:

    • eine Mindestdauer von drei Monaten,
    • eine Beweislastumkehr zulasten verdächtigter Fans,
    • sowie Stadionverbote bereits bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

    Der bisherige Ermessensspielraum der Vereine würde damit nahezu vollständig entfallen. Ein solches System zerstört Akzeptanz und Vertrauen, da es nicht an individueller Verantwortung ansetzt. Als ungerecht empfundene Sanktionen führen insbesondere bei jungen Fans zu Frustration, Rückzug und dem Verlust von Dialogbereitschaft – mit negativen Folgen für Demokratieverständnis und Präventionsarbeit.

    Positiv hervorzuheben ist hingegen die geplante Stärkung der personellen Ressourcen in Fanbetreuung, Organisation und Sicherheit. Entscheidend ist dabei die konsequente Einbindung der unabhängigen, sozialpädagogischen Fanprojekte, die junge Menschen dabei unterstützen, ihre Lebenswelt demokratisch und verantwortungsvoll mitzugestalten.

    Ich bitte Sie daher, als jugendpolitische*n Sprecher*in eine Einbindung auch Ihres Fachbereiches einzufordern! Mit freundlichen Grüßen
    [Dein Name]


    Foto vom Bicanski auf Pixnio

  • Fankultur schützen – Hinterzimmerdeals stoppen!

    Fankultur schützen – Hinterzimmerdeals stoppen!

    Der Fußball darf nicht zum Spielball populistischer Innenpolitik werden!

    Am 18. Oktober 2024 verkündeten deutsche Innenpolitiker und Fußballverbände weitreichende Maßnahmen gegenüber Fußballfans. Andy Grote (SPD) ließ sogar in einer Pressemitteilung verlautbaren, das Spitzengespräch ginge auf einen Beschluss der Sportministerkonferenz unter Initiative Hamburgs zurück.

    Doch was fehlte, waren sowohl die Fanvertretungen als auch die angeblich steigende Gewalt. Statt eines offenen Diskurses unter allen Beteiligten folgt jetzt ein Angriff auf die mitbestimmte Fußballkultur – verbunden mit einem Maßnahmenplan ohne jegliche Notwendigkeit, denn die Gewalt in und um Stadien ist rückläufig. Das zeigen nicht zuletzt die polizeilichen Zahlen selbst. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) verkündete für die abgelaufene Saison einen Rückgang der eingeleiteten Ermittlungsverfahren um 22%, der verletzten Personen um 17% und 9% bei den polizeilichen Einsatzstunden – bei einem zeitgleichen Publikumsanstieg um 3 Mio Fans. Fakt ist: Die Stadien sind sicher!

    Doch worum geht es genau?

    Neben einer Diskussion um personalisierte Tickets und KI-Gesichtserkennung in den Stadien sollen die Stadionverbotsrichtlinien maßgeblich verschärft werden, bis hin zum absoluten Gießkannenprinzip. Das heißt, zukünftig wird ein Stadionverbot bereits dann zwingend ausgesprochen, wenn die Polizei Ermittlungen einleitet. Selbst wenn das Verfahren eingestellt wird, soll das Stadionverbot bestehen bleiben und zwar mindestens für drei Monate. Das bisher etablierte und oftmals auch erfolgreiche Konzept sowie die Unschuldsvermutung werden somit gänzlich abgeschafft! Zudem kann ein Stadionverbot nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Eine verhältnismäßige Entscheidung im Einzelfall wird damit unmöglich. Das Ganze wird gerade in Hinterzimmern verhandelt – ohne eine Öffentlichkeit, ohne einen Zugang. 

    Die Folgen? Das sagt die Braun-Weisse Hilfe:

    „Die Folgen für Fußballfans und eine freie Fankultur wären geradezu fatal! Hier droht die Abschaffung rechtsstaatlicher Prinzipien. Angefangen mit einer Beweislastumkehr, bis hin zur de-facto-Abschaffung des Prinzips der Unschuldsvermutung. Grundrechtseinschränkungen, die wohl in kaum einem anderen Bereich politisch vermittelbar wären, werden hier durchgesetzt. Und wie so oft dient das Feindbild Fußballfan als Testobjekt, bevor solche Maßnahmen auch in anderen Bereichen Anwendung finden – etwa biometrische Überwachungstechnologien. Wir sagen: Es reicht! Diese Pläne müssen gestoppt werden!“  

    Die Folgen? Das sagt der Fanladen:

    „Was macht die Erfahrung, dass es auf das eigene Verhalten nicht zentral ankommt, mit Menschen? Wir sind überzeugt: Ohnmachtserfahrungen zu vermitteln ist zentraler Bestandteil des Versuchs autoritärer Zurichtung und das Gegenteil aufgeklärter Erziehung zur Mündigkeit! Was für ein Bild von Prävention steckt hinter diesen Maßnahmen, die im Umgang mit überwiegend jungen Menschen nicht von Verantwortungsübernahme und Reflexion eigenen Verhaltens ausgehen, sondern sie zum Sicherheitsrisiko abstempeln?“

    Die Folgen? Das sagt der Fanclubsprecher*innenrat:

    „So Mancher wird nun denken, was betrifft es mich, bin ja kein Ultra. Das ist ein großer Trugschluss, es wird uns alle treffen. Auf Aufnahmen erkennbar während einer Choreo in unmittelbarer Nachbarschaft gestanden zu haben oder im selben Zug zu sitzen, wie Menschen, die das Polizeiinteresse geweckt haben, kann einem ein Ermittlungsverfahren und ein Stadionverbot einhandeln. Diese Form der Sippenhaft hat direkte Auswirkungen auf die gesamte Fußball-Fankultur, jegliche aktive Fanszene, jeden Fanclub und jeden Fan – egal welchen Vereins.“

    Die Folgen? Das sagt Ultrà Sankt Pauli:

    „Die bunte, laute und kreative Fankultur, die wir seit Jahrzehnten als Fanszene hochhalten, und die die Grundlage unsers Vereins und seiner Besonderheit ist, ist mit den aktuell geplanten Maßnahmen so massiv gefährdet wie nie zuvor. Populistische Forderungen aus der Politik, die ohne Kenntnisse der Fußballfankultur und nur zum Zweck der Wiederwahl angegangen werden, zerstören unser aller Idee von Fußball und solidarischer Gemeinschaft. Kollektive Strafen, personalisierte Tickets und Stadionverbote ohne abgeschlossenes Verfahren würden dazu führen, dass die Kurven in wenigen Jahren verstummen, grau und seelenlos wie in England sind – und das betrifft uns alle.“

    Die Einschränkungen stoppen

    Wir fordern daher die politisch Verantwortlichen dazu auf, Abstand von den bisherigen populistischen Plänen zu nehmen! Die Vereine sind gefordert, sich vernehmbar vor ihre Fans zu stellen: Macht deutlich, dass die Rechte von Fans zu wichtig sind, um als Verhandlungsmasse zu dienen!

    Machen wir alle zusammen klar: Nicht mit uns! Fußball gehört den Fans! Macht eigene Protestaktionen, schreibt Abgeordneten und achtet auf Ankündigungen für koordinierten und unüberhörbaren Protest!