Alle zusammen für eine bunte, starke und laute Fankultur -Die populistischen Forderungen der Innenminister*innen stoppen!

Justitia - schwarz auf grau.

Was ist die Ausgangslage?

Am 6. Dezember 2024 beschlossen die Innenminster*innen aller Länder im Rahmen der 222. Innenminister*innenkonferenz in Rheinberg die Umsetzung von weitreichenden Maßnahmen gegen Fussballfans. Unter der Überschrift „Fußball ohne Gewalt: Maßnahmen zur Eindämmung von Gewalt und zur Stärkung der Sicherheit in Fussballstadien“ wurde beschlossen,  dass eine zentrale Stadionverbotskommission eingerichtet werden soll sowie einheitlich hohe Sicherheitsstandards durch den Einsatz von „Videotechnik, KI, Einlass/Crowdmanagement etc.“ zu entwickeln sind. Mit der Umsetzung dieser Beschlüsse wurde der „AK II unter Federführung der bisher am Prozess beteiligten Länder Bayern, Hamburg, Sachsen, Niedersachsen sowie Nordrhein-Westfalen“ beauftragt. Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegen Gewalt im Fussball hat sich im vergangenen Jahr unter Beteiligung der DFL, des DFB, der Polizei sowie der KOS mehrmals getroffen. Mittlerweile haben verschiedene Stellen darüber berichtet, dass die Arbeitsgruppe zu Ergebnissen gekommen ist. Wie genau diese aussehen und was der diesjährigen 224. IMK vom 3. bis zum 5. Dezember in Bremen zum Beschluss vorgelegt werden soll, wurde durch die zuständigen Stellen bisher nicht kommuniziert. Die bewährten Strukturen auf Grundlage des Nationalen Konzepts Sport & Sicherheit (NKSS) wurden anscheinden bewusst übergangen. Stattdessen werden populistische Forderungen in einer Hinterzimmerpolitik ausgearbeitet, was mit einem demokratischen Verständnis von exekutiver Arbeit nicht in Einklang zu bringen ist.

Die intransparenten Maßnahmenforderungen werden zu einer Zeit gestellt, in welcher der Stadionbesuch sicher ist, was auch durch die polizeilichen Statistiken bestätigt wird. Der von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) erstellte aktuelle Jahresbericht zeigt dies deutlich: So wurden in der vergangenen Saison rund 22 % weniger Strafverfahren durch die Polizei eingeleitet. Ebenso wurden 17 % weniger Personen verletzt. Die Polizei musste 9 % weniger Arbeitsstunden rund um die Spieltage aufwenden. Diese positive Entwicklung wird durch eine Steigerung der Zuschauerzahlen um rund 1 Million noch einmal verstärkt. Natürlich ist jede Verletzung eine Verletzung zu viel! Setzt man die Zahlen jedoch ins Verhältnis zur der Gesamtzahl der Zuschauer, wird sehr deutlich, dass das Risiko, bei einem Besuch eines Fußballspieles verletzt zu werden, äußerst gering ist. Bei 25.260.000 Zuschauer*innen in der vergangenen Saison wurden 1.107 Verletzte registriert. Das sind 0,00438 %. Die Gefahr einer Verletzung auf sonstigen Volksfesten, wie dem Oktoberfest, liegt somit 23-mal höher. Alltagstätigkeiten wie Gartenarbeit, Haushalt und Straßenverkehr dürften ebenfalls riskanter sein. Die IMK sowie die Arbeitsgruppe bleiben folglich eine Erklärung schuldig, wieso sie eine solche Dringlichkeit für weitere Maßnahmen sehen. 

Was ist über die Ergebnisse bekannt?

Diese Hinterzimmerpolitik hat dazu geführt, dass diejenigen, die von dem Beschluss betroffen sind, schlecht bis gar nicht informiert sind. Stattdessen muss aus mehreren Quellen mühsam alles zusammengetragen werden, was öffentlich berichtet wird. Das erschwert nicht nur den Vereinen und den Fanprojekten ihre Arbeit, sondern zeugt auch davon, dass eine konstruktive Zusammenarbeit von Seiten der beteiligten Innenminister*innen nicht erwünscht ist. Es ist beachtlich genug, dass man hier vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll, doch dass die Ergebnisse nicht einmal gesammelt bekannt gegeben werden, ist eine intransparente Farce – Dabei bedeuten die geplanten Beschlüsse nicht weniger als einen massiven Angriff auf das Fussballerlebnis und die Fankultur, wie sie bisher in Deutschland gelebt werden. 

Als sicher gilt, dass eine zentrale Stadionverbotskommission beim DFB eingerichtet werden soll. Sie erhält weitreichende Befugnisse in Form der Rechts- und Fachaufsicht und damit einhergehend Unterrichtungs-, Kontroll- und Weisungsrechte gegenüber den lokalen Kommissionen. Die bei vielen Vereinen angesiedelten lokalen Stadionverbotskommissionen bleiben dabei jedoch grundsätzlich die zuständigen Stellen für die Aussprache, Aufhebung, Aussetzung oder Reduzierung von Stadionverboten. Sie sollen unabhängig mit vier bis fünf Mitgliederen besetzt werden und ihre Verfahren transparent durchführen, begründen und dokumentieren. Die Mindestbesetzung soll aus den Stadionverbotsbeauftragten, den Sicherheitsbeauftragten, der Veranstaltungsleitung, den Fanbeauftragten sowie Jurist*innen bestehen. Die Fanprojekte oder die Polizei können ebenfalls hinzugezogen werden. Weiterhin sollen die Betroffenen vor der Aussprache eines Stadionverbots angehört werden, eine Ausnahme hiervon ist nur in begründeteten Fällen durch die*den Stadionverbotsbeauftragte*n zulässig. Wenn die lokalen Stellen gegen die Stadionverbotsrichtlinien verstoßen, kann die zentrale DFB-Kommission nach eigener Einschätzung die Entscheidungen ohne Weiteres aufheben und ersetzen. Zudem können die Vereine bei Verstößen durch die DFB-Sportgerichtsbarkeit sanktioniert werden. Die Möglichkeit, dass die Vereine nach eigener Einschätzung aufgrund von Verstößen gegen die Hausordnung ein lokales Stadionverbot aussprechen können, bleibt davon unberührt.

Darüber hinaus sollen ganz neue Maßstäbe gelten, nach denen ein Stadionverbot ausgesprochen wird: Spätestens sechs Wochen nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei ist die Stadionverbotskommission dazu verpflichtet, ein Stadionverbot von mindestens drei Monaten auszusprechen. Aussetzungen oder Bewährungsmaßnahmen können erst nach dem Ablauf der drei Monate beschlossen werden – jedoch nur wenn die Polizei dem zustimmt. Eine Ausnahme des verpflichtenden dreimonatigen Stadionverbots kann gemacht werden, wenn klar nachgewiesen werden kann, dass man zum fraglichen Zeitpunkt nicht vor Ort war.  Das bedeutet, dass noch vor einer gerichtlichen Entscheidung bereits weitreichende Folgen die Menschen treffen, die schlicht Verdächtige in einem Ermittlungsverfahren sind. Die grundsätzliche Unschuldsvermutung soll für Fussballfans nicht mehr gelten! 

Stattdessen wird es möglich, eine große Anzahl von Menschen mit dem Vorwurf einer einzigen Tat für mehrere Monate aus dem Stadion zu verbannen.  Wer zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wird bereits unter Generalverdacht gestellt.  Was das bedeuten kann, haben unter anderem mehrere hundert Fans des FC St. Pauli am 25. Oktober 2025 in Frankfurt gespürt.

Doch damit nicht genug sollen persönliche Daten in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß erhoben werden. Gefordert werden zum einen personalisierte Tickets. So könnte bei einer Einführung personalisierter Tickets niemand mehr ein Stadion besuchen, ohne seinen Namen preiszugeben. Auch eine unkomplizierte Ticketweitergabe wird damit mindestens erschwert. Das scheint den Populist*innen in der Politik jedoch immer noch nicht auszureichen. Denn durch die 222. Innenminister*innenkonferenz wurde der Einsatz von „Videotechnik, KI, Einlass/Crowdmanagement etc.“ gefordert.  Es droht also die Verwendung von KI-gestützten Sicherheitssystemen im Stadion. Auch wenn es dazu bisher keine konkreten Pläne gibt, stellt allein die Möglichkeit einer solchen Überwachung eine ernstzunehmende Gefahr für alle Stadionbesucher*innen dar. Wer seine persönlichen und biometrischen Daten schützen will, könnte nicht mehr ins Fussballstadion. Auch für die polizeiliche Arbeit im Fussballbereich ist die Anwendung von KI-basierten Analysen im Gespräch. Ein so weitreichender Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kann von freien Bürger*innen nicht toleriert werden. Wir sprechen hier schließlich immer noch über den Besuch eines Fussballstadions, der für unzählige Menschen jedes Wochenende zur Gewohnheit gehört – und ausweislich der polizeilichen Daten bereits jetzt sicher ist. 

Weitere geplante Maßnahmen betreffen vor allem die Zusammenarbeit innerhalb der Stadionallianzen, sie sollen ausgebaut und als präventives Instrument gestärkt werden. Dafür sollen vor allem die Sicherheitsbeauftragten der Vereine aufgestockt werden: In der ersten Liga sollen mindestens drei, in der zweiten Liga mindestens zwei und in der dritten Liga mindestens ein*e hauptamtliche Sicherheitsbeauftragte*r beschäftigt werden. Auch die Fanprojekte werden (wenn auch beiläufig) als unterstützenswerte Institution erwähnt. Hier scheint man aber keinerlei weitere präzise Vorschläge machen zu wollen. 

Für die Koordination aller Beteiligten untereinander sollen gemeinsame Stresstests und Übungen abgehalten werden. DFB und DFL wollen die Clubs außerdem gezielter begleiten, vor allem bei sogenannten Risikospielen.  Dabei liegen die Erfahrungen darin auf Vereinsseite. Sinnvoller wäre es, bei riskanten Länderspielen Expertise aus den Vereinen abzufragen. Chaos und Verantwortungsdiffusion sind damit an dieser Stelle vorprogrammiert. 

Auch im Bereich der Pyrotechnik-Regeln soll es Verschärfungen geben und eine „Null-Toleranz-Strategie“ umgesetzt werden, wofür vor allem die Saktionsmechanismen ausgebaut werden sollen. Dazu sind DFB und DFL aktuell noch im Gespräch. Somit besteht auch hier weiterhin Unklarheit. 

Was bedeutet das? 

All das soll bei der 224. Innenminister*innenkonferenz beschlossen werden und ab dem 1. Januar 2026 gelten. Dadurch würde der Stadionbesuch deutlich unsicherer – denn der Datenschutz könnte mit Füßen getreten werden. Darüber hinaus sollen große Anzahlen von Fans aufgrund eines populistischen und unfairen Generalverdachts vom Stadionbesuch ausgeschlossen werden, ohne eine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Es ist unerklärlich, wieso die Politik das Feindbild Fussball seit Jahren so sehr befeuert und damit eine Freizeitaktivität, die der Großteil der deutschen Bevölkerung am Herzen liegt, so stark kriminalisiert. Es gibt weder eine Datenlage, die das rechtfertigen könnte, noch entsprechende Forderungen aus der Zivilbevölkerung. Diese fatalen Regelungen werden weitreichende Folgen haben und schlussendlich der Fankultur, wie wir sie heute kennen, die Luft zum Atmen nehmen. Das bedeutet: Keine großen Choreographien mehr, kein durchgehender und lauter Support von den Rängen, keine Stimmung.

Die Politik, so scheint es, möchte die deutsche Fussballkultur begraben. Ganz vorne als Totengräber mit dabei: Hamburgs Innensenator Andy Grote. Das kann nicht das Ziel eines Landes sein, in dem fast jede Person mindestens einen Fangesang auswendig kann und es kaum Menschen gibt, die nicht mit einer Fussballmannschaft mitfiebern. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, was Fussballfans erreichen können, wenn sie zusammenhalten: So wurde der Einstieg eines Großinvestors und die Abschaffung der 50+1-Regel verhindert, Montagsspiele wurden gestrichen und unzählige soziale Projekte auf verschiedensten Wegen gefördert. Der Fussball und seine Fans sind ein wichtiger Teil dieses Landes und können nicht einfach so durch Hinterzimmerdeals von Populist*innen bekriegt werden. Die Bildung von intransparenten Parallelstrukturen ohne die Beteiligung von Fanvertretungen im Entstehungsprozess treten die bisherige Zusammenarbeit aller Beteiligten mit Füßen. Wir fordern, dass sämtliche geplanten Einschränkungen abgelehnt werden und der Stadionbesuch als das angesehen wird, was er ist: sicher!

Weitere Forderungen im Einzelnen: 

Braun-Weisse Hilfe

Zukünftig werden wohl alle Fans die Sorge haben müssen, dass schon ein ungerechtfertigter polizeilicher Verdacht ihnen gegenüber schon zu einem Stadionverbot führen wird. Es droht die Abschaffung rechtsstaatlicher Prinzipien, angefangen mit einer Beweislastumkehr bis hin zur de-facto-Abschaffung des Prinzips der Unschuldsvermutung. Grundrechtseinschränkungen, die wohl in kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich politisch vermittelbar wären, sollen hier durchgesetzt werden. Und wie so oft dient das „Feindbild Fußballfan“ als Testobjekt, bevor solche Maßnahmen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Anwendung finden. So ist zukünftig ein unbedarfter und entspannter Stadionbesuch schwer vorstellbar.

Das jetzt seitens populistischer Politiker*innen gezeichnete chaotische und bedrohliche Bild, könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Die Folgen für Fußballfans und eine freie Fankultur sind weitreichend.

Wir sagen: Es reicht! Diese Pläne und die Dämonisierung von Fußballfans müssen gestoppt werden! 

Fanladen: 

Akzeptierte Regeln und Normen entstehen in Beteiligungsverfahren: Es müssen ressortübergreifende und interdisziplinäre Expertisen eingebunden werden, abgewogen und am Ende gute Ergebnisse gefunden. Großspurig in einer Pressekonferenz einen härteren Umgang anzukündigen und dann Rechte von Bürger*innen einzuschränken, ist ein weiterer Schritt der autoritären Formierung der Gesellschaft. Die beste Gewaltprävention ist eine möglichst gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen und Zugängen. Der deutsche Vereinsfußball ist mit dem 50+1-Modell, empowernder Fansozialarbeit und selbstorganisierter Jugendkultur ein role model für Beteiligung. Fördert diese positiven Elemente im Fußball, statt sie zu bekämpfen! Reguliert Geldströme aus Menschen zerstückelnden Öldespotien und den Handel mit minderjährigen Fußballern, nicht Jugendkultur!

Fanclubsprecher*innenrat: 

Statement folgt

Ultrà Sankt Pauli:

Wir fordern die Innenministerkonferenz zum sofortigen und vollständigen Stopp sämtlicher im Raum stehender Maßnahmen auf! Beendet den frontalen Angriff auf unsere Fankultur, welchen ihr gerade mittels gezielter Desinformation und entgegen jedweder statistischen Evidenz im stillen Kämmerlein plant. Statt einer faktenbasierten Politik, verfolgt ihr einzig und allein das Ziel, die freie und lebendige Fankultur – das Alleinstellungsmerkmal des deutschen Fußballs und alles, was wir Fans uns über Jahrzehnte mühsam erkämpft haben – für immer zu vernichten. Unter dem Deckmantel von vermeintlicher „Sicherheit“ schafft ihr in diesem Moment im Hinterzimmer ohne Einbeziehung von Fans, Fanvertretungen und Fanprojekten, unumkehrbare Fakten, mit der ihr die dystopische Vision eines Fußballs ohne Seele vorantreibt. Und das, obwohl ihr genau wisst, dass keinerlei Statistik oder Datengrundlage ein solches Vorgehen rechtfertigen würde. Dass der Stadionbesuch eines deutschen Fußballstadions so sicher ist wie noch nie, ist euch ebenso bekannt, wie auch der Polizei und den Verbänden.

Hört also endlich auf mit diesem populistischen Schauspiel und kehrt zurück zu den Fakten und Sachargumenten!

Fankultur schützen – Hinterzimmerdeals stoppen!